Der Volksmund sagt: „Träume sind Schäume.“ Das trifft sicher in den meisten Fällen zu, aber nicht in allen. Kürzlich hörte ich in einem Gottesdienst einen Traum erzählen, der es verdient, dass er weiter erzählt wird. Ich habe mich erkundigt, ob sich auch wirklich alles so zugetragen habe, wie erzählt worden war und es wurde mir versichert, dass der Bericht zuverlässig sei.

Es sind noch nicht viele Jahre vergangen, da hatte sich in einer mitteldeutschen Stadt – wie an anderen Orten auch – ein so genannter „Höllenklub“ gebildet. Präsident dieses Höllenklubs war ein wohlhabender Gutsbesitzer, der etwas außerhalb der Stadt wohnte. In diesem Höllenklub ging es oft recht fröhlich zu. Das war besonders an einem Jahresfest der Fall. Der Präsident verstand es, besonders gut Stimmung zu machen; so saß an jenem Tag eine ausgelassene Gesellschaft bis in die frühen Morgenstunden des Sonntags beisammen. Wie immer ritt der Präsident nach Hause und begab sich in der Morgendämmerung zu Bett, um nun auszuschlafen. Er schlief auch bald ein, erwachte aber nach einigen Stunden schweißgebadet aus einem schrecklichen Traum.

Wie er nachher erzählte, sah er sich selbst auf seinem Fuchs die kurze Allee herauf reiten, die zu seinem Sitz führte. Mitten in dieser Allee stand plötzlich ein schreckliches Wesen vor ihm, vor dem sein Pferd scheute und ihn abwarf. Deutlich erinnerte sich der Mann nachher, wie er im Traum in dem Augenblick, da er abgeworfen wurde, dachte: jetzt schlägst du aber hart auf den Boden auf. Er schlug aber nicht auf, sondern sank, und sank, und sank immer tiefer in einen endlosen Abgrund. Zu seinem Schrecken gewahrte er nach einiger Zeit, dass die Erscheinung, vor der das Pferd gescheut hatte, neben ihm in die Tiefe schwebte. Nach einiger Zeit wurde es etwas heller und da gewahrte der Mann, dass sie in einen sehr großen, höhlenähnlichen Raum kamen. Merkwürdige Laute drangen an sein Ohr, von denen er nicht recht wusste, ob es menschliche oder tierische Stimmen waren. In dieser Höhle sah er eine Bühne, auf der sich viele Paare im Tanz drehten. Er ging näher hinzu, um sich die Leute zu besehen. Was ihm auffiel, war, dass die Gesichter nicht fröhlich aussahen und dass kein Lachen zu hören war. Jedes Gesicht spiegelte eine unbefriedigte Gier wider und was das Schrecklichste war: Der Tanz hörte nie auf.

Plötzlich gewahrte er unter den sich wild drehenden Paaren eine Frau, die er gut kannte. Kannte? Nein, gekannt hatte, denn er wusste genau, dass diese Frau vor zwei Jahren gestorben war. Jäh wandte er sich an seinen unheimlichen Begleiter und fragte: „Wo sind wir hier denn eigentlich?“

„Im Totenreich, im Vorhof der Hölle.“, antwortete ihm dieser. Da fiel der Mann auf die Knie und bat flehentlich: „Lass mich hier heraus, hier kann ich nicht bleiben! Wenn es ein Erbarmen gibt, so bitte ich dich: lass mich heraus!“ Mit einer Stimme, die dem Träumer durch und durch ging, antwortete ihm das Wesen: „Ja, du darfst noch einmal von hier weggehen. Aber bedenke: heute in einem Jahr wirst du für immer hierher kommen!“

Da erwachte der Mann. Ganz lebendig standen die bilder vor ihm, die er im Traum gesehen hatte und immer noch hörte er die Stimme: „Aber bedenke, heute in einem Jahr wirst du hier sein!“ Er tat das einzig Richtige, was er tun konnte: er ging zu einem Prediger, erzählte ihm den Traum, ließ sich von diesem ermahnen und begann ein neues Leben. Er trat aus dem Höllenklub aus, mied das Wirtshaus und alles, was an sein altes, sündhaftes Leben erinnerte. Dafür hielt er sich nun trotz manchem Spott zu den Frommen, ging treu in die Gottesdienste und bekannte öffentlich, dass sein Leben fortan dem Herrn Jesus geweiht sein soll.

Die Monate kamen und gingen und mit der Zeit wurde der Eindruck jenes Traumes doch etwas verwischt. Nur so war es möglich, dass das geschehen konnte, was nun kam. Eines Tages erschienen mehrere seiner früheren Freunde. Mit wahrhaft satanischer List fingen sie an zu reden. Sie lobten ihn, dass er so standhaft den neuen Weg gehe, dass man ihn deshalb achten müsse usw. Schließlich kamen sie aber doch mit ihrem Anliegen heraus: Das Jahresfest des Vereins stehe vor der Tür und sie könnten sich einfach nicht vorstellen, wie sie dieses Fest ohne ihn feiern könnten. Sie sagten ihm auch gleich, er brauche ja keinen Alkohol zu trinken; brauche auch nicht zum Tanz zu bleiben, wenn er nur eben am Anfang zur eigentlichen Feier erscheinen möchte. Nun, unter diesen Bedingungen schien es unserem Freund doch möglich zu sein, seinen früheren Freunden den Gefallen zu tun. Ihr Lob war ihm „wie Öl eingegangen“ und so sagte er zu, zu kommen, betonte aber, dass er nur im ersten Teil des Festes bleiben werde.

Der Abend kam und das Zusammentreffen versprach ein glänzendes Fest zu werden. Unser Freund wurde von vielen Leuten herzlich willkommen geheißen, so dass seine anfängliche Befangenheit von ihm abfiel. Als aber der neue Präsident das Podium bestieg und seine Rede mit den Worten begann:

„Heute vor einem Jahr…“, da erbleichte er. Plötzlich schien es ihm, als hörte er die Stimme wieder: „Heute in einem Jahr!“

Leichenblass und zitternd stand er auf und wollte nach Hause gehen, aber sofort war er von einigen alten Freunden umringt. „Du kannst uns doch das nicht antun jetzt wegzugehen.“, sagte der eine. „Es wäre eine Schande für den Verein und für dich, wenn du jetzt heimgehen würdest.“, sagte ein anderer. „Nimm hier einen Schluck Wein, dann wird es dir wieder besser gehen.“, sprach ein dritter.

Er nahm einen Schluck Wein, um sich zu beruhigen, ließ sich wieder zum Sitzen nötigen und blieb da. Zum ersten Schluck Wein kam ein zweiter, zum ersten Glas ein zweites und bald war alle Angst vergessen und machte einer fröhlichen, mit der Zeit sogar ausgelassenen Stimmung Platz. Als einer der Letzten verließ er in der Morgenfrühe das Lokal, um nach Hause zu reiten.

In der Mitte der Allee, die zu seinem Hause führte, scheute sein Pferd und warf ihn ab. Eine Stunde später fanden die Angestellten das Pferd allein vor der Stalltür, den Herrn aber mit gebrochenem Genick tot in der Allee. „Heute in einem Jahr… !“

Dieser Traum war eine gnädige Warnung von Gott. Hätte der Mann auf die Warnung gehört, hätte er sein Herz dem Herrn ganz gegeben, so hätte sich der Traum nicht erfüllt. Seine Hinwendung zu Gott geschah aus Angst vor der Hölle und hielt – leider – der Probe nicht stand. Das Lob und die Schmeichelei seiner alten Freunde brachte ihn zum Fall.

Und so jemand auch kämpft, wird er doch nicht gekrönt; er kämpfe denn recht! (2. Tim. 2, 5).