Hans war ein netter, prächtiger Mann, wie es nur einen im Dorf gab. Das heißt, er war für gewöhnlich so nett; zuweilen ging er aber ins Wirtshaus und das Bier, das es dort trank, schien ihm nur zu gut zu schmecken. Dann vernachlässigte er leider seine Arbeit und war sehr hart mit dem kleinen Gretchen und der freundlichen Frau, die im ganzen Dorf nur Hanses Frau hieß, weil niemand den Nachnamen lesen konnte, den Hans unter seine Rechnungen schrieb. Eines Tages, nachdem er wieder viel Bier getrunken hatte, kam ihm Gretchen in den Weg. Mit rauen Worten schickte er sie hinter die Tür. Weinend lief sie in die nahe gelegene Wiese, und als sie dort lange schluchzend gesessen hatte, kam die kleine Anna Prall angelaufen, die sofort versuchte die Traurige zu trösten. Gretchen erzählte, wie unfreundlich der Vater zuweilen sei, wie er beinahe den Ofen umgerammt und wie er gestern Abend mit dem Kopf in die Schüssel gefallen sei. „Ach, das ist gerade so wie bei dem Mann, den Jesus heilte“, fiel Anna ihr ins Wort. Da trocknete Gretchen die Tränen und fragte: „Wie war es denn bei ihm?“ „Er war vom Teufel besessen.“ „Ja, das hat meine Mutter nun auch gesagt“, erwiderte Gretchen. „Ich fragte sie neulich, was Vater so böse mache und da hat sie mir gesagt, es sei der Teufel, der ihn so böse sein ließ.“ „Dann kann Jesus ihn auch heilen“, meinte Anna. „Aber Jesus ist jetzt nicht hier“, merkte Gretchen an, worauf Anna tröstend versicherte: „O, das macht nichts. Er tut dennoch alles, worum wir ihn bitten.“ Dann aber schien sie selbst zaghaft zu werden und in verändertem Ton fügte sie hinzu: „Aber dein Vater ist so alt, ich glaube er müsste Jesus selbst bitten.“ Gretchen wusste nichts zu sagen. Sie war älter als Annchen und eine bestimmte Ahnung sagte ihr, dass ihr Vater sich nicht selbst von dem Übel befreien konnte, wenn sie auch nicht wusste, dass er trank. „Ach, wenn er ihn doch bitten würde“, sagte sie nachdenklich. „Es ist schrecklich ihn so zu sehen und es wird auch immer schlimmer.“ Annchen wusste keinen Rat mehr; sie nahm die Freundin darum in ihre Arme und forderte sie auf, mit ihrem Püppchen Besuch zu spielen, und bald waren sie in ein fröhliches Spiel vertieft. Als die Wärterin kam, um Annchen zu holen, da schlang sie noch einmal ihre Arme um Gretchen und flüsterte leise: „Wir wollen Jesus immer darum bitten.“

An jenem Abend knieten zwei Kinder an ihren Betten nieder und beteten für den Mann, der wahrlich vom Teufel besessen war; denn die Liebe zum Trinken ist eine Macht des Teufels im Menschen, die nur durch Jesus allein besiegt werden kann. Und dieser treu bleibende Jesus hörte die Kinder, und er geb der kleinen Anna einen Gedanken, den sie schon am anderen Tag ausführen sollte. „Sieh Mama“, sprach sie schmeichelnd zu ihrer Mutter, „wenn meine Puppe nur noch ein Paar neue Stiefelchen hat, so ist sie für den Sommer mit allem versehen, ebenso wie ich. Soll ich nun zum Schuster gehen und ihr ein paar anmessen lassen?“

„Oh ja, dass kannst du tun“, sprach die Mutter lächelnd, „wenn er sie machen will, so sollst du sie haben, und es ist ein netter Gang für dich.“ Annchen rannte davon. Ihr Herz klopfte, als sie an der Tür des bärtigen Mannes anklopfte. Er öffnete selbst ganz freundlich und lachte, als er niederkniete, um der Puppe das Maß zu nehmen. „Ich will ihr ein Paar machen und dann will ich meinem kleinen Mädchen auch ein Paar machen. Ich war gestern sehr hart mit ihr“, sagte er halblaut zu sich selbst. „O, es war der Teufel, der dich so böse machte, warum sagst du es nicht Jesus, dass er ihn austreibt?“ Hans hob den Kopf empor und sah das Mädchen scharf an. Was wusste das kleine Mädchen von ihm Aber sie sah so unschuldig aus. Sie wusste sicher nicht, dass er betrunken gewesen war. „Warum tust du es nicht?“, drängte Annchen. „Ich und Gretchen tun es auch. Sie hat dich so lieb und sie sagt du wärest so gut, bloß nicht, wenn du die Anfälle hättest. Weißt du nicht, wie des Mannes Sohn in das Wasser und in das Feuer geworfen wurde und wie Jesus ihn heilte?“ Dann lief die Kleine davon; sie war enttäuscht, weil Hans ihr gar nicht geantwortet hatte. Nun hatte sie auch niemanden zum Spielen und wusste nicht, ob sie etwas Gutes oder etwas Dummes gemacht hatte. „Warum sagst du es nicht Jesus, dass er ihn austreibt?“ Diese Worte hallten Hans den ganzen Tag im Ohr. Er konnte sie nicht vergessen. Die kleine hatte wahrlich Recht; es war der Teufel, der ihn plagte. Diese Liebe zum Bier und zum Branntwein ist so schlimm, wenn man zuviel davon trinkt und es nicht bei einem Glas bleibt. „Aber ich kann nicht davon loskommen, ich habe es oft genug versucht. Ich gehe daran zugrunde.“ „Warum sagst du es nicht Jesus?“, hieß es wieder und abermals klang die Frage in Hans` Ohr, bis er endlich demütig und gläubig Jesus um Hilfe anrief gegen den Teufel. Jesus erhörte den Rufenden und machte ihn frei. Annchen ahnte nicht, welche Wirkung ihre Worte hatten; aber ihre Mutter erfuhr es, etwa ein halbes Jahr, nachdem die Puppenschuhe gemacht worden waren. Darum bewahrte sie diese Schuhe auf und Schrieb die Begebenheit nieder, zur Aufmunterung und Glaubensstärkung anderer.