„Welch ein gutes altes Wort ist das ‚Komm‘!“, sagte ein alter Mann. „Ich war ein Waise, und wurde bei einer Frau erzogen, die wirklich mein bestes wollte, aber sie fand nicht den rechten Weg dazu. Wenn ich einen berühmten Prediger hören sollte, sagte sie: ‚Geh, lieber Junge, geh zu dem Feste in der Kirche!‘ Oder: ‚Da ist ein berühmter Prediger, gehe hin und höre ihn!‘ Aber ich wollte nicht. Da nannte sie mich gottlos und hartherzig.
Als ich mich verheiratet habe, wurde alles anders. Meine Marie war eine gute liebe Frau; heute noch muss ich mich darüber wundern, dass sie mich lieben konnte; aber ich danke Gott dafür, dass sie es tat, denn es war ihre Güte und Milde, die mein Herz veränderte.“
„Und wie machte sie das?“
Sie sagte zum Beispiel: ‚Hans, komm, ich möchte so gerne Herrn S. hören, er ist ein guter Mann, und ich weiß, er wird dir auch sehr gefallen.‘ Ein anders mal sagte sie: ‚Hans, ich sehe du bist recht müde, aber heute ist Gebetsversammlung, da würde es mir viel, viel besser gefallen, wenn auch du da wärst; komm doch mit, du wirst gewiss erquickt werden!‘ Oder abends, wenn der Tisch abgeräumt und alles nett in Ordnung gebracht worden ist, wenn ich mich gewaschen hatte und in meinem bequemen Stuhl saß, dann hieß es: ‚Hans, ich habe hier ein wunderschönes Buch, und ich möchte zu gerne wissen, wie es weiter geht; wenn du mir vorlesen willst, kann ich dabei nähen, das ist doch viel besser.‘
Nun da konnte ich nie widerstehen. Es war immer komm – komm! Sie befahl nicht, sie stellte sich nicht über mich, sie stellte sich mit mir auf eine Stufe und sagte: ‚Komm mit mir!‘
Eines Abends las ich in der Bibel und kam an die Worte: ‚Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.‘ (Matt. 11, 28) ‚Ach‘, sagte ich, ‚dieses Buch ist wie du, und nun wird mir alles klar. Zum ersten Mal fühle ich, dass ich dieses Buch von Herzen lieben kann.‘
‚Hans, Hans‘, jubelte sie, stand auf und legte ihren Arm um meinen Hals, ‚das macht mich so glücklich; aber was meinst du damit, dass ich wie das Buch wäre, und was wird dir klar?‘
‚Ja, siehst du, Marie, ich dachte, du bist nicht wie meine Pflegemutter, die immer sagte: Geh, geh, geh!‘ Du aber sagst: ‚Komm, komm, komm!‘; Und darum habe ich das Buch lieb gewonnen.
‚Ach‘, sagte sie mit leuchtenden Augen, ‚dies ist nicht das einzige „Komm“ in der Bibel, überall steht „komm“.‘ Sie nahm das Buch aus meiner Hand, schlug die Blätter um – sie wusste so gut Bescheid – und las: ‚So kommt denn und lasst uns miteinander rechten, spricht der Herr. Wenn eure Sünde auch blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie rot ist wie Scharlach, soll sie doch wie Wolle werden.‘ (Jes. 1, 18). Weiter umwendend las sie: ‚Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!‘ (Jes. 55, 1). Und wieder umwendend las sie weiter: ‚Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.‘ (Offb. 22, 17).
‚Aber Hans!‘, fuhr sie fort, ‚hier ist das beste „Komm“ von allen. Jesus sagt, dass Er an dem großen Tag sprechen wird: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt“!‘ (Matt. 25, 34).
Ich konnte nicht antworten, aber ich gelobte, Ihm zu folgen und Ihn zu lieben. Meine Marie ist nun schon lange im Himmel, aber noch höre ich ihre Stimme. Ihre letzten Worte waren: ‚Hans, ich gehe zum Herrn; komm du auch, damit ich dich wiedersehe, und versprich mir, unser Kind zu lehren – wie es Ihn findet.‘
Wenn ich das „Komm“ in der Bibel lese, ist’s mir, als hörte ich die liebe Stimme zu mir reden, und ich bitte mein Kind: „Komm zum Herrn!“