Eine arme Witwe, die fünf Kinder hatte, besaß fast nichts um sich und die Übrigen zu ernähren; doch sie setzte ihr Vertrauen auf Gott und hatte die Gewissheit, dass das, was unser Gott geschaffen hat, er auch erhalten wird. Darüber wird er früh und spät mit seiner Gnade walten. Anstatt viel zu klagen, beteten sie und ihre Kinder und dankten für die schon erfahrene Hilfe. Bei alledem arbeitete sie fleißig und suchte, wo sie nur konnte, etwas zu verdienen. Ihre Kinder hielt sie fleißig zum Lernen und zur Gottes Furcht an. Wenn sie aus der Schule kamen, ging sie mit ihnen das Gelernte durch und gab ihnen nützliche Beschäftigungen.
Eines morgens aber sagte die gute Mutter: „Kinder, diesen Morgen kann ich euch nichts zu essen geben. Ich habe kein Brot, kein Mehl, nicht einmal ein Ei. Aber betet jetzt nur fleißig; der liebe Gott ist reich und mächtig und er hat gesagt: Ruft mich an in der Not, so will ich euch erhören.“ Der kleine Christian machte sich nüchtern und sehr betrübt auf den Weg in die Schule. Er kam an der Kirchentür vorbei – sie war offen. Er ging hinein; als er niemanden erblickte, betete er: „Lieber Heiland, gib uns doch etwas zu essen, unsere Mutter hat kein Brot, kein Mehl, nicht einmal ein Ei. Hilf du uns doch, du kannst es wohl, und du hast es ja versprochen, so halte nun dein Wort!“ Hernach stand er auf und ging getrost in die Schule.
Als er heim kam, sah er ein großes Brot, eine Schüssel voll Mehl, und ein Körbchen mit Eier auf dem Tisch stehen. „Gott sei Dank!“, rief das Kind, „Er hat mein Gebet erhört. Mutter, hat ein Engelein dies alles zum Fenster hereingebracht?“ „Nein“, sagte die Mutter, „aber Gott hat dein Gebet erhört. Während du in der Kirche betetest, war die Frau Amtmann in ihrem vergitterten Stuhl. Du konntest sie nicht sehen, aber sie hat dich gesehen, und durch dein Gebet unsere Not vernommen. Sie war der Engel, durch den der liebe Gott uns geholfen hat. Nun lasset ihm auch danken und dann essen – seid fröhlich. Behaltet nur stets das schöne Lied im Gedächtnis, das ihr ja gelernt habt: ‚Wer nur den lieben Gott lässt walten‘.“