„Sag mir Jens, wie kam es eigentlich, dass du bekehrt wurdest?“ Der alte Fischer versuchte seinen gebeugten Rücken ein wenig aufzurichten und ließ seine leuchtenden Augen auf dem Frager ruhen.

„Wie es geschah? – Auf wunderbare Weise. Es geschah durch eine Predigt.“

„Durch eine Predigt? Das war ja ein natürlicher Hergang.“

„Nein, das war gerade etwas Übernatürliches.“

„Wo hörtest du diese Predigt?“

„Ich hörte sie nicht – ich sah sie!“

„Du sahest sie?“

„Ja, ich sah sie täglich. Ich lebte mit ihr zusammen. Gehört habe ich so viele, aber um die kümmerte ich mich wenig. Sie haben gewöhnlich nicht viel zu bedeuten. Aber die Predigten, mit denen man täglich zusammenlebt, die taugen.“

„Was war denn das für eine Predigt, mit der du zusammenlebtest?“

„Es war meine tote Frau.“

„Du sprichst in Rätseln Jens, man kann doch nicht mit einer Toten zusammenleben?“

„Doch, das kann man leicht. Gott kann es machen.“

„Ja, das ist schnell erzählt. Maren und ich waren einigermaßen derselben Art – was das Temperament anbetrifft. Wir waren beide Hitzköpfe und gerieten oft hart aneinander. – Dann wurde sie bekehrt. Sie behauptete es wenigstens. Aber ich spürte nicht viel davon, ein wenig nur in der ersten Zeit. Bald war alles ungefähr beim alten.

‚Willst du dich denn nicht bekehren, Jens“‚ sagte sie eines Tages, als sie aus einer Versammlung kam.

‚Wozu mich bekehren?‘ fragte ich erbost, ‚zu einem neuen Leben?‘ – ‚Ja, das glaube ich, jedoch in aller Schwachheit. Du sollst nicht auf uns sehen, Jens, denn wir sind schwache Menschen, und werden nicht anders. Aber du sollst Gott ansehen.‘

‚Gott kann ich nicht sehen, aber dich kann ich sehen. Und dein Christentum mag ich nicht.‘

Aber dann kam sie eines Abends zur Weihnachtszeit von einer Versammlung nach Hause. An dem Abend erschrak ich fast vor ihr. Ihr Gesicht war weiß wie die Wand, sie sagte kein Wort. Mehrere Tage ging sie still umher. Ich fürchtete ihr Verstand könne Schaden genommen haben.

Als ich dann eines Tages drinnen saß, um Netze auszubessern, kam sie herein und setzte sich neben mich. Ihre Augen leuchteten mit einem Glanz, dass ich es nicht ertragen konnte, sie anzusehen. Sie fasste meine Hand und sagte: ‚Jens, ich habe Gott um Verzeihung gebeten, weil ich seinem Namen Schande gemacht habe. Ich habe mich heilig genannt, aber es war so wenig Heiliges an mir.‘ Mir wurde dabei ganz unheimlich zumute, ‚…und ich will auch dich um Verzeihung bitten.‘

In größerer Qual bin ich nie gewesen. Hätte sie mich nur ausgeschimpft, das wäre viel leichter gewesen. Von diesem Tag an war meine Frau gestorben – der Sünde gestorben. Du verstehst mich doch, nicht wahr?“

„Ja, gewiss! Aber nun sage mir, Jens, kam es denn nie wieder? Wurde sie nie wieder zornig?“

„Ich tat, was ich nur konnte, um sie zu reizen. Ob es wiederkam? Ja, ich merkte wohl, besonders am Anfang, dass es da drinnen war, das Fleisch. – Verstehst du mich? – Aber es war eine Kraft über sie gekommen, ein Geist, von dem ich früher nichts gespürt hatte. Es war, als wenn sie geborgen wäre, versteckt von einer himmlischen Macht. Es war wie ein Panzer, den meine Bosheit nicht durchbohren konnte. Es war schwer für meine böse, unheilige Natur, tagtäglich in ein Antlitz sehen zu müssen, über dem göttlicher Friede und göttliche Freude wie ein heiliger Schleier lagen.

Ich wurde immer schlechter, aber das schien sie nicht anzufechten. Schließlich war es soweit gekommen, dass ich sie zu hassen meinte. Ich hasste Gott, der in ihr wohnte, denn er verurteilte mich. Sie brauchte nicht mehr zu predigen, denn sie selbst war eine Predigt.

Mehrere Jahre lebte ich mit dieser Predigt zusammen, und die Predigt wurde immer unerträglicher. Zuletzt wurde sie mir zu stark – ich musste mich bekehren. – Ja, so kam es.“