Wir erkennen die Notwendigkeit, die Aufmerksamkeit der lieben Kinder Gottes einmal auf die Wichtigkeit der kleinen Dinge zu richten. Gottes Wort sagt: „Fanget uns die Füchse, die kleinen Füchse, die den Weinberg verderben.“ Hoh. 2:15.

Es ist uns nicht unbewusst, was der Satan im Schilde führt. Er will, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführen. Wenn es ihm nicht in der Gestalt eines brüllenden Löwen gelingt, so verstellt er sich auch in einen Engel des Lichts: Er kommt auch so schlau und unscheinbar, dass wir ihn nicht erkennen. Wenn er versuchen würde, uns in große Sünden zu locken, das wäre höchst wahrscheinlich vergebliche Mühe. Aber mit den kleinen, ganz unscheinbaren Dingen, da gelingt es ihm eher. Viele, weil sie nicht die Gefahr erkennen, oder unwissend über die Folgen von Dingen waren, die sie als klein betrachteten, sind auf diese Weise allmählich tief in Sünden verstrickt worden. Wieder andere, die einst sehr ernst und eifrig für den Herrn waren, finden sich nun kalt und leblos, und wundern sich, wie es dazu kam. Sie finden keinen Geschmack mehr am Worte Gottes; ihre Gebete haben keine Wirkung; der Himmel scheint ihnen zugeschlossen und Gott weit entfernt. Wenn sie dann nicht ernstlich zu Werke gehen, gedenken wovon sie gefallen sind, Buße tun und von neuem Gott Treue geloben und Glauben an Jesu Versöhnungsblut üben, so behalten sie vielleicht ein bloßes Bekenntnis und äußere Form, aber sie sind tot; das wahre Leben und die Kraft fehlt. Dies ist ein höchst trauriger Zustand, der fast in ganz Babylon stattfindet.

Doch jeder Zustand geht aus Ursachen hervor. Wenn wir ernstlich nachforschen, so finden wir gewöhnlich, dass zuerst eine ganz geringe Abweichung zu Grunde lag, eine kleine Nachlässigkeit, ein kleiner Ungehorsam, ein kleines liebloses Wort; ein geringer Zweifel schlich sich ein und nistete sich fest. Vielleicht mahnte der Herr dich, einen armen, gefallenen Bruder durch Worte der Ermahnung und Ermunterung aufzurichten; oder du hättest eine arme kranke Frau besuchen sollen; du aber hast es aufgeschoben, bis es zu spät war. „Die Nachlässigen und Trägen wird die Armut übereilen, wie ein Fußgänger, und der Mangel wie ein gewappneter Mann.“ Spr. 6:11. Das Wort bewährt sich auf geistlichem Gebiet, wie in zeitlicher Hinsicht. Vielleicht mahnte der Herr dich, ein paar Cents für sein Werk zu geben und du dachtest, das wäre zu wenig, so, dass es von gar keiner Bedeutung wäre. Und doch wollte der Herr gerade soviel haben, um einer armen, umnachteten Seele einen Traktat zuzuschicken. Vielleicht solltest du ein kleines Zeugnis hier oder da ablegen, durch das geredete oder geschriebene Wort, das Er besser gebrauchen konnte, eine Seele aus dem Sündenschlaf zu wecken, als eine große Predigt aus anderem Munde. Ein wenig sich der Welt gleichstellen, ein wenig Gemeinschaft mit ihr haben, ein wenig auf andere aufsehen anstatt auf Jesum, ein wenig Scherz und Narrenteidinge treiben, eine ganz geringe Abweichung von der Wahrheit, damit fängt oft der Schaden an, bald ist das ganze Wesen angesteckt. Vielleicht mahnte dich der Geist, ins geheime Gebet zu gehen und du warst zu beschäftigt, auf seine Stimme zu achten, dadurch betrübtest du den Geist Gottes und schadetest deiner eigenen Seele. Du warst nicht langsam zu Reden, hieltest deine Zunge nicht im Zaum, sondern gebrauchtest viele unnützende Worte: – Sieh, ein klein Feuer, welch einen Wald zündet es an! – So könnte man noch viele Dinge anführen.

Gott ist treu und straft uns durch seinen Geist; aber wenn wir die Strafe nicht achten, so werden wir finden, dass es uns wie einem Schiff auf der See geht. Wenn es einen Leck bekommt, sei derselbe noch so klein, so muss derselbe aufgesucht und gebessert werden, sonst füllt sich das Schiff allmählich mit Wasser und sein Untergang ist gewiss. „Ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig.“ Gal. 5:9.

Darum ist es so notwendig, auch über die kleinen Dinge zu wachen. Eine kleine Sünde scheidet uns ebenso wohl von Gott als eine große. Er hasst die Sünde in jeglicher Gestalt und kann keine Gemeinschaft mit ihr haben. Darum ist es ganz unmöglich, dass wir Sünde in unsere Herzen einlassen und zugleich uns noch der Gemeinschaft mit Gott erfreuen. Jesus hält uns die Treue im Kleinen als eine Bedingung vor, unter welcher er uns größere Dinge anvertrauen kann: „Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten unrecht ist, der ist auch im Großen unrecht!“ Luk. 16:10.

Viele übersehen die kleinen Pflichten, die ihnen im alltäglichen Leben begegnen und streben nach großen Dingen. Aber Gott legt nicht große Verantwortlichkeiten in die Hände solcher, die nicht erst gelernt haben, im Kleinen Treue zu üben. Erst vertraut Er uns gering scheinende Dinge an, und wenn wir uns darin bewährt haben, so kann Er uns mehr anvertrauen und tut es auch. Moses musste erst vierzig Jahre lang die Schafe hüten, ehe Gott ihn zum Führer seines Volkes gebrauchen konnte. Aber zeigen wir uns untreu oder unwürdig, so nimmt Er uns auch da, was Er uns schon anvertraut hatte. „Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, das er hat.“ Matth. 13:12. Nur wenn wir unser Licht recht leuchten lassen in unserer nächsten Umgebung, stellt es sich heraus, ob der Herr uns gebrauchen kann, das Licht in weitere Kreise zu tragen. Wie du dich als Kind gegen Eltern und Geschwister beträgst, oder wie du als Vater oder Mutter deinem Hause vorstehst im Herrn und in der Liebe, und die Lehre Jesu mit einem heiligen Wandel dort zierst, so wird dir der Herr auch größere Dinge anvertrauen können. Darum sagt das Wort des Herrn: „So aber jemand seinem eigenen Hause nicht weiß vorzustehen, wie wird er die Gemeinde Gottes versorgen?“ Es war eine kleine Handlung, die in dem Heere Gideons entschied, welche Männer für das große Werk brauchbar waren, das ihnen in der Besiegung der Midianiter bevorstand. Treue im Kleinen ist dem Herrn ebenso lieblich und angenehm, wie Treue im Großen, eben um der Treue willen. „Gehorsam ist besser denn Opfer.“ Was Ihm gefällt ist – dass wir da treu sind, wo Er uns hinstellt.

Was wäre die Welt überhaupt ohne der kleinen Liebesdienste, die wir einander täglich zu erweisen in Gottes Wort aufgefordert und durch seinen Geist befähigt werden zu üben? Wären auch sonst große Werke der Liebe da, so wäre es doch nichts ohne der kleinen, die wir beständig genießen und die unser Leben so versüßen. Stellt euch eine kleine Anhöhe vor, auf deren Gipfel ein prachtvoller Baum steht, geschmückt mit dichtbelaubten Zweiglein. Auf diesen hüpfen buntgefiederte Vöglein und singen ihre Lieder. Die Erde ist mit unzähligen kleinen grünen Grashälmchen bedeckt, wie mit einem Teppich Blümchen aller Art strecken ihre farbigen Kelche empor und erfreuen das Auge. Millionen kleine Tautropfen hängen wie Perlen an Gras und Blumen. Jetzt entfernt alle diese kleinen Dinge: die Federn der Vögel, die Zweiglein, die Blätter, den Grashalm und die Tautropfen und was bleibt? Wahrlich ein öder Anblick wäre es, wenn auch der stattliche Baum dastände mit seinen großen kahlen Ästen. Ähnlich würde unser Leben sein, wenn wir große Dinge zu tun versuchen und die kleinen versäumen würden: öde und leer!

Die Anklagen, die der Herr in Matth. 25 bei dem jüngsten Gericht anführt, sind nicht über große Missetaten, sondern über Vernachlässigung von kleinen Liebestaten. Hungrige waren nicht gespeist, Durstige nicht getränkt, Fremdlinge nicht beherbergt, Nackende nicht gekleidet, Kranke und Gefangene nicht besucht worden. Jesus selbst ist uns hierin ein Vorbild, indem sein Leben voll von kleinen Liebestaten war. Hier nahm er sich einer armer gefallener Frau an, dort sprach er am Brunnen Worte des ewigen Lebens zu einer Sünderin, ein anderes Mal legt er seine Hände segnend auf die Kinder, dann heilt er Kranke und reinigt die Aussätzigen.

Darum lasst uns auf die kleinen Dinge acht haben und uns vor kleinen Sünden hüten, und uns recht in der Treue im Kleinen üben. Wir kommen nie in diesem Leben dahin, wo keine Gefahr des Fallens droht, oder wo wir nicht zu wachen nötig hätten. Manches Schiff hat die Reise beinahe vollendet, ohne Schaden erlitten zu haben, um endlich nahe dem Hafen zu scheitern. Bunyan sah einen Weg zu Hölle nicht weit von dem Tor zu himmlischen Herrlichkeit hinabführen. Darum lasst uns treu sein in kleinen Dingen!

Ida Meyer